Mittwoch, 11. Mai 2016

Donald Trump schockt US-Republikaner Die Angst geht um


Für Donald Trump läuft alles nach Plan. Der Milliardär ist der designierte Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Nicht nur die Partei ist geschockt. Plötzlich ist nichts mehr unmöglich.
Wer in den USA derzeit Republikaner ist und über Donald Trump spricht, sagt meistens "unser Kandidat". Oder: Unser "designierter Kandidat". Oder: Unser "wahrscheinlicher Kandidat". Kaum einer spricht den Namen des Milliardärs aus New York offen aus, kaum einer nimmt das Unwort "Trump" in den Mund. Wenige Prominente aus der Grand Old Party wollen mit dem Mann identifiziert werden, der nun ihr politischer Führer, ihr Zugpferd, ihr Aushängeschild sein soll.
Paul Ryan, der Parlamentsvorsitzende im Repräsentantenhaus, ist in den vergangenen Tagen zum Anti-Trump geworden. Er versagte ihm öffentlich bis auf weiteres die Unterstützung, stellte seinen Vorsitz beim Nominierungsparteitag im Juli zur Disposition und forderte Trump quasi zum Duell. Am Donnerstag kommt es auf dem Capitol Hill in Washington zum Treffen der beiden Top-Republikaner - Rebell gegen Establishment. Ausgang: völlig offen.

Die Angst geht um, vor allem bei den Senatoren. Wenn das vom Wahlvolk aufgedrängte Experiment Trump für die Republikaner schief geht, droht Flurschaden mit jahrzehntelanger Nachwirkung. Die ohnehin zerrütete Partei stünde vor der Zerreißprobe.
Die größte Gefahr droht den Republikanern im Senat. Die zweite Kammer des Kongresses, in der aus jedem der 50 Bundesstaaten zwei Senatoren Gesetze machen, wählt mit der Präsidentenwahl am 8. November 34 Sitze neu, die für sechs Jahre besetzt werden. Sollten die Demokraten vier Sitze hinzugewinnen, hätten sie die derzeitige republikanische Mehrheit ausgeglichen.

Viele republikanische Senatoren fürchten um ihre sicher geglaubten Posten. Das Republikaner-Urgestein John McCain denkt, ihm stehe im US-Staat Arizona mit 79 Jahren "das Rennen meines Lebens bevor". Arizonas ehemaliger Senator Jeff Flake macht es noch deutlicher: "Dir werden nicht plötzlich die Latino-Wähler entgegenlaufen, wenn Du darauf bestehst, elf Millionen Illegale (Migranten) auszuweisen oder die Mauer (an der mexikanischen Grenze) zu bauen."
In Arizona leben viele Latinos, die von Trumps migrationsfeindlicher Politik abgeschreckt werden könnten. Und die letzten Wahlen zeigten: Viele Wähler unterscheiden in der Wahlkabine nicht mehr zwischen Präsident und Senat: 2012 gewann in sechs von sieben Staaten, in denen auch ein Senator zur Wahl stand, der Kandidat, dessen Partei auch in der Präsidentenwahl vorne lag.
"Die Demokraten versuchen bereits jetzt, einige von Trumps Aussagen gegen die jeweiligen Republikaner-Kandidaten im Senat zu richten", sagt Melinda Henneberger, Chefredakteurin der Polit-Publikation "Roll Call", die sich auf die Berichterstattung aus dem US-Kongress spezialisiert hat.

Im Bundesstaat Wisconsin etwa, wo sich eines der engsten Rennen der Senatswahl 2016 anbahnt, macht der demokratische Herausforderer Russ Feingold Stimmung gegen den republikanischen Amtsinhaber: "Will Ron Johnson wirklich, dass Frauen, die eine Abtreibung hinter sich haben, ins Gefängnis gesteckt werden?", fragte er wiederholt in Anspielung auf Trumps Wahlkampf-Äußerungen.

Neue Umfrage schockt Demokraten

In Pennsylvania, North Carolina, Illinois, New Hampshire und weiteren Staaten verspricht die Wahl 2016 ähnliche Duelle. Die Republikaner können maximal 24 Sitze verlieren, die Demokraten nur zehn. Sollte sich die Mehrheit drehen, könnten die Demokraten den vakanten und entscheidenden neunten Richterplatz im mächtigen Supreme Court auch für den Fall beeinflussen, dass Trump dann Präsident ist.
Ganz große Skeptiker unter den Republikaner befürchten bereits, dass auch die Mehrheit im Abgeordnetenhaus wegen Trump an die Demokraten verloren gehen könnte. Dazu müsste die Partei von Hillary Clinton allerdings 30 Sitze drehen. "Bisher war dies als unmöglich angesehen worden; mit einem Kandidaten Trump gibt es aber erste Stimmen, dass dies nicht mehr außer Reichweite ist", sagt Melinda Henneberger.

Viele Kommentatoren reiben sich verwundert die Augen. Soviel Distanz zum eigenen Kandidaten hat es in einer US-Partei - trotz aller Rivalität im Vorwahlkampf - seit Generationen nicht mehr gegeben.
Dabei sehen die Meinungsforscher Trumps Aussichten auf das Weiße Haus gar nicht so schwarz. Die angesehene Quinnipiac University veröffentlichte am Dienstag eine Umfrage, in der Trump in wichtigen Staaten praktische gleichauf mit Clinton liegt. In Ohio, das die Republikaner unbedingt brauchen, wenn sie gewinnen wollen, liegt Trump der Umfrage zufolge bereits vorn.
Wie schnell Erfolg auch die Meinung in der Partei drehen kann, zeigt Mitch McConnell, Chef der republikanischen Mehrheitsfraktion im Senat. "Es ist noch viel Zeit bis November, aber es sieht so aus, als wäre unser Kandidat ziemlich wettbewerbsfähig." Den Namen Donald Trump nimmt aber auch er vorsichtshalber nicht in den Mund. Michael Donhauser, DPA, N24

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