Samstag, 9. April 2016

Der IS zeigt seine Geiseln fast immer in orangefarbenen Overalls



Der IS zeigt seine Geiseln fast immer in orangefarbenen Overalls. (Foto: Reuters)


Die Terrorgruppe IS zeigt ihre todgeweihten Geiseln oft in orangen Anzügen. Das erinnert an Häftlinge in Guantánamo. Doch wer liefert die Kleidung an die Dschihadisten?


Sie knien auf dem Boden, ihre Augen sind verbunden, ihre Hände hinter dem Rücken gefesselt. In wenigen Minuten werden die drei Männer, Angehörige der kurdischen Peschmerga-Miliz, sterben. Ein bulliger IS-Terrorist mit mächtigem Vollbart steht hinten ihnen. Wild gestikuliert er mit einem Kampfmesser, brüllt in die Kamera, hetzt gegen die Kurden, gegen die USA und droht mit blutigem Terror auch in Europa. Dann packt er den ersten Gefangenen, drückt ihn zu Boden und enthauptet sein Opfer.

Zu sehen ist die grausame Hinrichtung der Peschmerga-Kämpfer in einem Propagandavideo der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Veröffentlicht wurde es am Montag im Internet. Es ist nur das neueste von zahllosen derartigen Mordvideos, die seit Jahren von den Dschihadisten im Netz verbreitet werden. Die medial inszenierten Exekutionen sind ein fester Bestandteil der IS-Propaganda.


Dabei fällt eines auf: Viele der Opfer tragen bei ihrer Hinrichtung einen orangefarbenen Overall. Der US-Fotojournalist James Foley trug ihn, als ihn der IS-Henker "Jihadi John" enthauptete. Ebenso der jordanische Pilot Maas al-Kassasbeh, den die IS-Terroristen in einem Käfig bei lebendigem Leib verbrannten. Und viele weitere Opfer des IS, darunter kurdische und schiitische Milizionäre, syrische oder irakische Regierungssoldaten und angebliche Spione, mussten Orange tragen, als sie geköpft, erschossen, verbrannt oder ertränkt wurden.


Overall erinnert an Guantánamo-Häftlinge


Der orangefarbene Overall ist zum Symbol geworden für die schier unendliche Grausamkeit der Terroristen gegenüber ihren Feinden. Wer ihn trägt, gehört zu den Todgeweihten. Gleichzeitig ist das Textil eine unmissverständliche Botschaft an den Westen. Der Jumpsuit soll an die frühere Kleidung der Häftlinge im US-Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba erinnern. Für den IS ist er ein Symbol der Rache.


Schon die Vorläuferorganisation des IS, al-Qaida im Irak, präsentierte ihre Geiseln in diesem Outfit. Etwa den Amerikaner Nicholas Berg oder die britische Geisel Kenneth Bigley, die beide im Jahr 2004 vom jordanischen Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi ermordet wurden.


Woher aber stammen die orangefarbenen Overalls? Welche Firmen beliefern die IS-Terroristen womöglich sogar mit der Kleidung? Die "Welt" hat Dutzende Propagandavideos des IS aus dem vergangenen und dem laufenden Jahr gesichtet. Auffällig dabei: Auf der Brusttasche vieler Overalls der IS-Opfer ist das Etikett deutlich erkennbar. Meist steht dort "Prime Captain" oder "Taha". Dabei handelt es sich um die Markennamen der Overalls. Sie führen zu Textilproduzenten und Händlern in der Türkei, in den arabischen Golfstaaten, nach China und Bangladesch.


Ein Beispiel ist Al Baqeh Building Materials mit Sitz in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate). Auf der Webseite des Händlers für Arbeits- und Sicherheitskleidung wird ein orangefarbener Overall von der Marke "Prime Captain" angeboten, der sehr große Ähnlichkeit mit genau jener Kleidung aufweist, die viele IS-Geiseln trugen, als sie getötet wurden. Produziert werden die Overalls angeblich in Pakistan. Stückpreis: zehn Dollar. Hat sich der IS über den Händler in Dubai mit der Kleidung für seine Geiseln versorgt? Auf Nachfrage wollte sich die Firma nicht zu den etwaigen Geschäften mit den Terroristen im Irak oder in Syrien äußern.


Chinesisches Unternehmen dementiert Verbindungen


Auch der Kleidungshersteller Anbu Safety Industrial aus der zentralchinesischen Stadt Zhengzhou bietet die "Popular Prime Captain Coveralls" auf seiner Webseite an. Verfügbar in den Größen S bis 4XL. Mindestbestellmenge: 1000 Stück. Hat der chinesische Großproduzent an die IS-Terroristen Overalls geliefert?


Das Unternehmen dementierte auf Anfrage der "Welt". "Wir können bestätigen, dass wir keine Overalls in diese Regionen geliefert haben", teilte die Firma mit. "Wir haben keine Kunden im Irak oder in Syrien. Jeder hasst den IS, auch in China."


In einigen IS-Videos tragen Geiseln orangefarbene Kleidung, die offenbar nicht zu der mysteriösen Marke "Prime Captain" gehört. Auf der Brusttasche dieser Overalls steht das Wort "Taha". Dahinter könnten sich zwei Textilhersteller aus der Türkei und aus Bangladesch verbergen. Auf Nachfrage der "Welt" äußerten sich beide Unternehmen nicht.


In den USA interessiert man sich schon länger für die Im- und Exportgüter der IS-Terroristen. Erst im Oktober vergangenen Jahres kontaktierte das US-Finanzministerium den japanischen Automobilhersteller Toyota. Die Experten für Terrorismusfinanzierung wollten wissen, woher die Tausenden Toyota-Pick-up-Trucks stammen, die der IS besitzt. Toyota versicherte, keine Geschäfte mit den Terroristen zu machen. Vermutlich seien die Fahrzeuge bei den Raubzügen der Islamisten im Irak, in Syrien und Libyen erbeutet worden.


 Die Welt, N24

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